– Bismarck

ZU DEN ULTNER URLÄRCHEN
AUF DEN SPUREN VON OTTO VON BISMARCK – DEM EISERNEN KANZLER

BismarckWäre nicht der gestrenge Vater der schönen Josepha aus dem Ultental gewesen, dann könnte man heute auf die Südtiroler Herkunft der Frau des deutschen Kanzlers Otto von Bismarck verweisen, der einst Gast in diesem Tale war. Große Persönlichkeiten kamen hierher, von der Schönheit der Landschaft, aber vor allem von der heilenden Wirkung des Wassers angezogen. Noch heute zählt das Ultental mit seinen alten Höfen und seiner weitgehend erhaltenen Natur zu den schönsten, weil unverfälschten Gebieten Südtirols.

Nach Mitterbad, dem kleinen schattigen Seitenarm des Ultentals, das bald hinter St. Pankraz abzweigt, kommen Ende des 19. und Anfang des 20. Jh., zur Blütezeit des Bades, neben Otto von Bismarck auch andere große Persönlichkeiten wie Kaiserin Sissi, der Maler Franz von Defregger und die Schriftstellerbrüder Mann. Das Wasser gilt in jener Zeit als heilkräftig bei Blutarmut, bei Unfruchtbarkeit sowie bei Nerven- und Hautkrankheiten. Doch das Ultental dürfte nicht nur entspannend, sondern auch inspirierend auf seine Gäste gewirkt haben: Thomas Mann vollendet hier 1901 seinen großen Familienroman „Die Buddenbrooks“ und sein Bruder Heinrich schreibt in Ulten zwei bedeutende Novellen („Die Unschuldige“ und „Die Auferstehung“). Kaiserin Elisabeth von Österreich besucht Mitterbad gleich mehrmals: 1871, 1889 und inkognito 1897. So kommt es, dass der Rossmeister, der sie fährt, nicht weiß, wer sie ist, und wegen ihrer ständigen Forderungen klagt: „Isch des ober a sekante (= lästige) Dame“. Am Ziel angekommen, folgt die Überraschung, als Sissi sagt: „Hier ein Trinkgeld. Ich bin nur die Kaiserin von Österreich.“ Ihre gebrauchten Wanderschuhe können noch heute im Ultner Talmuseum in St. Nikolaus bewundert werden. Die interessante ethnografische Sammlung ist in der alten Grundschule, einem Holzhaus aus dem Jahr 1827, untergebracht: Alte und kuriose Gegenstände des täglichen Gebrauchs (wie genagelte „Schuhe“ für Kühe, um sie auch im Winter auf eisigen Wegen zum Stier zu führen) sind zu entdecken. Unsere Wanderung beginnt hier, beim Talmuseum (1271 m). Um nach St. Gertraud (1519 m) zu gelangen, wenden wir uns Richtung Talschluss, dabei überqueren wir eine kleine Brücke und spazieren über den Weingartlweg zur Talstraße hinunter. Dieser folgen wir einige hundert Meter, bevor wir bei der zweiten Brücke den Valschauerbach queren. Nach einer kurzen Steigung stoßen wir auf den Ultner Höfeweg, der uns in einem abwechslungsreichen Auf und Ab, vorbei an alten Höfen, rauschenden Bächen, imposanten Wasserfällen und den berühmten Urlärchen (nach ca. 1 Stunde ab St. Nikolaus), aussichtsreich bis zum letzten Ort des Tals führt. Die Ultner Urlärchen gelten als die ältesten Nadelbäume Europas. Der höchste Baum misst 36,5 m, der dickste hat einen Umfang von 8,34 m. Gleich in der Nähe dieser Naturdenkmäler lädt das Restaurant- Pizzeria Zum Lärchengarten zu einer Rast ein. Nach weiteren 20 Minuten gelangen wir nach St. Gertraud, wo wir bei der Feuerwehrhalle die Straße überqueren und auf der anderen Talseite – immer auf dem Höfeweg – den Rückweg nach St. Nikolaus antreten (rund 1/¼ Stunden).

Tipp
Obwohl die Anlage von Mitterbad mit ihrer ruhmreichen Vergangenheit heute verfallen und vergessen ist, bietet der Ort eine sehr suggestive Stimmung. Gleich nach St. Pankraz die Talstraße verlassen und links den Wegweisern nach Mitterbad folgen.

Otto von Bismarck
Der bedeutende deutsche Politiker kommt am 1. April 1815 in Schönhausen/Sachsen zur Welt. Er ist 25 Jahre alt, als er nach Mitterbad kommt und sich unsterblich in die schöne Josepha verliebt. Sie ist die Tochter von Joseph Holzner, dem Betreiber des Bades, und von Ursula Ladurner, einer Verwandten von Anna Ladurner, der Frau von Andreas Hofer. Zwischen dem künftigen deutschen Kanzler und Josepha, damals kaum älter als 16, beginnt eine Romanze mit einem regen Austausch an Liebesbriefen. Als Bismarck schließlich um die Hand des schönen Mädchens (auf das viele junge Männer im Dorf ein Auge geworfen haben) anhält, bekommt er ein klares und unmissverständliches Nein als Antwort. Bismarck ist nämlich Protestant, ein für den frommen Katholiken Holzner unannehmbarer Umstand. Josepha heiratet wenige Jahre später Alois Schmid, einen Beamten der landesfürstlichen Stiftung in Salzburg. Auch Bismarck vermählt sich 1847. Im Tal erzählt man aber, dass Josepha ihre erste große Liebe nie vergessen habe und sogar bis nach Berlin gereist sei, um ihren Otto zu sehen, der seit 1862 Kanzler ist. Trotz eines dichten Terminkalenders habe er die Zeit gefunden, sie zu treffen. Böse Zungen behaupten sogar, dass Josephas Sohn Ernst von Bismarck stamme. Josepha stirbt mit 38 Jahren in Salzburg. Ihr Grab schmückt an jenen Tagen ein Kranz mit roten Rosen und dem Band: „Meiner unvergessenen Josepha. O. v. B.“ Otto von Bismarck stirbt am 30. Juli 1898 im Alter von 83 Jahren.

Infos in Kürze

  • Aussichtsreiche Rundwanderung über die Ultner Talhänge
  • 2/½ Stunden Gehzeit, 250 Höhenmeter
  • Von Lana durch das Ultental bis St. Nikolaus, Parkgarage direkt beim Ultner Talmuseum. Busverbindung nach Meran und Lana.
  • Waltershof: Hotel-Restaurant direkt neben dem Talmuseum von St. Nikolaus, mit interessanter Inneneinrichtung, kein Ruhetag, Tel. 0473 790144, www.waltershof.it
  • Zum Lärchengarten: Moderne Hütte im Schatten der Urlärchen, am Abend auch Pizzeria, von Ostern bis Anfang November geöffnet, Mo Ruhetag, Tel. 347 7310764
  • Gasthof Eggwirt: Dorfgasthaus in St. Walburg mit bodenständiger Küche und schönem Gastgarten. Hier verkehrt in den 1930er Jahren der englische Pfeifenkönig Dunhill. Di Ruhetag, Tel. 0473 795319
  • Ultner Talmuseum: In St. Nikolaus. Geöffnet im März, April und Oktober, So 10-12 und 15-17 Uhr, von Mai bis September, Di und Fr 11-12 und 15-17 Uhr, So 10-12 und 15-17 Uhr, im Winter nur nach Voranmeldung. Tel. 0473 790147 oder 0473 790374

(aus „Spurensuche in Südtirol„, Folio Verlag)

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